Dienstag, 26. Januar 2021

Philipp Loewenfeld für's Radio fassen: Der Anwalt von Erich Mühsam und Felix Fechenbach schreibt die 1. Bayrische demokratische Verfassung

 "Der jüdische Anwalt Philipp Loewenfeld, der auf Wunsch Eisners an der ersten bayerischen demokratischen Verfassung mitarbeitete, urteilte in seinen Erinnerungen: „Kurt Eisner war persönlich eine von Grund aus saubere Natur. Er hatte den festen Glauben, dass der Mensch an sich gut sei und dass durch richtige Gestaltung der äußeren Umstände das Gute in ihm geweckt und erhalten werden könne.“ (Ferdinand Kramer)

Dieser Anwalt hatte eine Menge Erinnerungen zuerst nach Zürich, dann in die USA mitgenommen und aufgeschrieben, hiesige Bearbeitende haben einen recht großen Apparat an Anmerkungen beigesteuert, die jene Zeitgeschichte aus der SPD-Sicht, durchaus mit kritischen Anteilen zur Partei, durchsichtiger machen.

 

Philipp Loewenfeld (* 23. September 1887 in München; † 03. November 1963 in New York / USA) war ein deutscher Jurist.

Unter Kurt Eisner arbeitete er zusammen mit zwei Kollegen 1918 eine demokratische bayerische Verfassung aus. Ferner wurde der Rechtsanwalt als Verteidiger in einigen aufsehenerregenden politischen Strafprozessen der der Weimarer Republik bekannt. Er emigrierte 1933 vor den Faschisten in die Schweiz und 1938 in die USA. Aus dem Exil kehrte er nicht mehr zurück.

Er ist der Namensgeber der Philipp-Loewenfeld-Straße auf der Schwanthalerhöhe.

(Quelle: Muenchen.de: Straßenneubenennung 2006)

https://www.muenchenwiki.de/wiki/Philipp_Loewenfeld

Werke

  • Das Strafrecht als politische Waffe. Berlin 1933.
  • Der politische Mord. Zürich 1936. ( veröffentlicht unter dem Pseudonym Hans Kilian)
  • Recht und Politik in Bayern zwischen Prinzregentenzeit und Nationalsozialismus. Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld Ebelsbach 2004. (Geschrieben 1942, Autobiographie)
    • dazu: Peter Landau/Rolf Rieß (Hg.), Recht und Politik in Bayern zwischen Prinzregentenzeit und Nationalsozialismus. Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld (Münchener Universitätsschriften - Juristische Fakultät, Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung 91), Ebelsbach 2004.

 bei der deutschsprachigen Wikipedia: Philipp Loewenfeld.

fairmuenchen.de/philipp-loewenfeld

In seinen Erinnerungen beschreibt er sein Aufwachsen in München als Sohn eines Anwalts und „Honorar“-Professor: Damals konnte ein Jude nicht ordentlicher Professor werden, auch, wenn er noch so renommiert und wissenschaftlich anerkannt war,

im Wilhelmsgymnasium waren mit ihm die adeligen arroganten königlichen „Eselknaben“ in bunten Uniformen, und in der militärischen Schinderei der Grundausbildung waren Mitschüler plötzlich was „Besseres“.

An Eisners Ankündigung der Revolution am 7. November 1918 glaubt er nicht, am 20. Okt. ist er als königlicher Militär auch noch nicht bereit, in einer Räte-Regierung eine Aufgabe zu übernehmen, im Auftrag seiner Militärverwaltung ist er während der Revolutionstage noch in Tirol.

Recht und Politik in Bayern zwischen Prinzregentenzeit und Nationalsozialismus –
Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld

Münchner Universitätsschriften – Juristische Fakultät – Abhandlungen zur Rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung – Band 91 – Herausgegeben von Peter Landau, Dieter Nörr, Bernd Schünemann] Peter Landau / Rolf Rieß Hg. 2004 Ebelsbach

 

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Seine oft beißenden Beschreibungen, auch mitten aus dem politischen Geschehen, und seine bitteren Erwägungen, der SPD beizutreten, klingen absolut aktuell, er kann die Rolle und Sicht der Sozialdemokratie in jenen und heutigen Jahren reflektieren helfen …

Die Vorgeschichte beginnt tatsächlich in der Prinzregentenzeit,

in der Ludwig Thoma als junger Anwalt in  der Kanzlei seines Vaters arbeitete, geht ausführlich auf die Diskriminierung als jüdischer Soldat in der Militär-Ausbildung und an der Hochschule ein, mit Auseinandersetzungen zu den Schlagenden Verbindungen und einer Auseinandersetzung zur studentischen Wohnungsnot.

Loewenberg übernahm dann den Vorsitz im Sozialwissenschaftlichen Verein,

in dem Jujo Brentano 1909, mit einem Vortrag zu den Arbeiterwohnungsverhältnissen in München in der „Neuen Akademie“, einer Bierwirtschaft gegenüber der Universität, den Eröffnungsvortrag hielt, zu der auch Prinz Ludwig, der spätere Ludwig III. kam und sich am Vorstandstisch über die erste studierende Frau seines Lebens wunderte und anschließend vergaß, sein Bier zu bezahlen.

Fechenbach-Frau-Eisner

Fechenbach, Eisners Sekretär, seine Frau und Kurt Eisner bei einer Demonstration

Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld, Verfasser der ersten Verfassung des Freistaat Bayern im Auftrag Kurt Eisners, in gut 700 Seiten mit Kommentaren und weiteren Quellen versehen, lesen sich hervorragend und geben einen anschaulichen Blick auf das Leben des jüdischen Rechtsanwaltes und Honorarprofessor für Recht, der sich in der vor-Revolutionszeit schon zu sozialwissenschaftlichen Fragen organisierte.

Seine oft beißenden Beschreibungen, auch mitten aus dem politischen Geschehen, und seine bitteren Erwägungen, der SPD beizutreten, klingen absolut aktuell, er kann die Rolle und Sicht der Sozialdemokratie in jenen und heutigen Jahren reflektieren helfen …

Der Beitritt zur SPD ist schon eine Abrechnung / Entschuldigung / Kritik

Auf mehreren Seiten geht er – nach den grundlegenden Erwägung, auch seines Vaters, als Anwalt eigentlich nicht einer Partei angehören zu wollen, auf die Situation ein: S. 110

Aber auch an der Einstellung der Sozialdemokraten, die in der damaligen deutschen Politik die äußerste Linke darstellten, stieß mich Vieles ab. Die Partei war noch von den alten radikalen Parolen revolutionärer Art beherrscht, wie sie in ihrer Entwicklungszeit sozusagen klassisch geworden waren, und sie von alt gewordenen Führern, wie Bebel und Singer, und jüngeren hinzugekommenen marxistischen Theoretikern mit einem wahrhaft konservativen Revolutionarismus gepflegt wurden.

Innerlich hatte die Partei trotz aller radikalen Gesten längst ihren Frieden oder wenigstens ihren Waffenstillstand mit der Gegenwartsordnung gemacht und dachte nicht ernstlich daran, die kapitalistische Ordnung oder den monarchistischen Staat umzustürzen.

Unter dem Einfluss der rapid wachsenden Gewerkschaftsbewegung, deren Interesse nicht der Verwirklichung eines Zukunftsstaates, sondern der Hebung der Lage der Arbeiterklasse im Gegenwartsstaat gehörte (…) hatte sich die sogenannte revisionistische Bewegung in der Partei, die ihr Ziel nicht in der Revolution, sondern in der Evolution sah ….

 

Felix FechenbachFelix Fechenbach sollte in der Zeit nach der Revolution als Überlebender mitten aus dem Geschehen büßen, und ein Schand-Urteil der Münchner Justiz wurde auf allen Ebenen der Reichs-Justiz kritisiert, aber eisern durchgesetzt: Die Ordnungszelle Bayern gebiert die faschistische Gesinnungs-Justiz, die bis heute wirkt.

 

Weitere Prozesse:

Hausstand der Mühsam's

Witwenrente Frau Eisner?

 

 

 



 

 

Montag, 18. Januar 2021

Konservativ oder Reaktionär? Wie der Kalte Krieg noch immer mit Nazi-Parolen in der Bildung spukt.

 Reaktion in München 1919

Die Räterepublik wurde von Anfang an von Adel, Banken, Besitzenden, Kirchen und Militär bekämpft. Burschenschaften bildeten ein Geflecht der "Alten Herren", Oberstudienräte königlichen Gemütes schreiben in der bürgerlichen Presse, und eine ungeheuere Flut von Falschinformationen und Hetze lässt auch heute noch Trump wie einen modernen Waisenknaben ausschauen:

Kurt Eisner wäre ein galizischer Jude (das wäre aus der heutigen Ukraine stammend), hieße in Wirklichkeit Kosmanowski und hätte seine ganze Familie in den Ministerien angestellt (seine Mädchen waren noch nicht alt genug) ...

... und die Bolschewisten würden alle Frauen enteignen, allen Männern zur Verfügung stellen ... und irrsinnig Vieles mehr ...

Dazu kamen mit dem Stinnes-Legien-Abkommen der Arbeitgeber mit den Gewerkschaften diese - und die entsprechenden Teile der SPD, die zuerst noch sehr gespalten war: 500 Millionen Reichsmark wurden von den

Bildung in Bayern? Kirchliche Verkündung wie damals

Bis 1903 hatten sich Frauen noch nicht mal in die Lehrer-Ausbildung anmelden können, dann gab es die Lösung der "geschworenen Fräuleins": Wenn sie die Ehelosigkeit versprechen, wie die Priester, bekommen sie den Zugang, denn für heiratende Frauen wäre die Ausbildung Verschwendung.

Bis zur Revolution hatten die Pfarrer die Aufsicht für die Schulen, und eine freie Wahl zur weiteren Teilnahme am Religionsunterricht erschien dem Juden-feindlichen Kardinal Faulhaber "schlimmer als der bethlehemitische Kindermord", was er vor den Wahlen im Januar 1919 von allen Kanzeln verlesen ließ.

Nach dem Niederschießen der Revolution durch rechte Freikorps, Reichswehr und die Zustimmung der nach Bamberg geflohenen Mehrheits-SPD wurden die Schulen zwar staatlich weiter geführt, aber das Kultusministerium behieltseinen habitus bei, Verkündungen auszusenden, an alle Schulen der Stände wie damals: 

Lateinische Gymnasien für die Oberschicht, Technische und Handelsschulen für die Mittelschicht, "Mittel-Schulen" für das Handwerk, Förderzentren für den Rest.

Mehr auf raete-muenchen.de

 Reaktionäre Praxis in Berlin

 


 „Ich war, ich bin, ich werde sein“ – so beendete Rosa Luxemburg ihren letzten Artikel nach der Niederschlagung des Januaraufstandes. Gemeint war damit die Novemberrevolution, die als breite Volksbewegung gegen den Krieg die Monarchie in Deutschland hinweggefegt hatte. 

 

Doch sofort nachdem die „deutsche Republik“ (Philipp Scheidemann, MSPD) bzw. die „freie sozialistische Republik Deutschland“ (Karl Liebknecht, Spartakusbund) ausgerufen worden waren, hatten die alten Eliten damit begonnen, die Konterrevolution zu organisierten.

Mit Erfolg.  

Mit dem Ebert-Groener-Pakt wurde die Machtbasis für die Durchsetzung der mehrheitssozialdemokratischen Vorstellungen einer bürgerlichen Demokratie gelegt. Der Beginn der Niederschlagung aller demokratische Ideen, die über die kaiserlich-königlich akzeptierte Parlamentarisierung und den Achtstundentag hinausgingen.  


Die Truppen des SPD-Wehrministers Gustav Noske waren es, die die drei FührerInnen der 1918/1919 neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands meuchlings ermordeten: Rosa Luxemburg, ihren Freund und Förderer Leo Jogiches († 10. März 1919) und Karl Liebknecht.  

Der Mörder bliebt unbehelligt und wurde schweizer Waffenhändler der Nazis, 

beteiligte sich an Geheimdienst-Missionen und am Aufbau der Bundeswehr, stand nahe der NPD ...


Waldemar Pabst, der sich vor der Ermordung von Rosa und Karl erst noch von Noske dafür grünes Licht geholt hatte, wurde für seine Taten nie gerichtlich belangt und starb im Alter von 90 Jahren in Frieden und Wohlstand, natürlich in Westdeutschland.